E-Mail für Dich

Der Boom der virtuellen Partnerbörsen findet kein Ende. Ein Selbstversuch.

Internet-Dating scheint der Trend der Stunde zu sein. Mit 1,4 Millionen Usern wirbt die Online-Börse friendscout24.de, der Spiegel widmete der virtuellen Partnerwahl gerade zwei Seiten und überall hört man, dass die diversen Flirt- und Kuppelportale einer der ganz wenigen Bereiche im Netz sind, mit denen Geld verdient wird. Kein Wunder, dass im Moment neue Partnerbörsen beworben werden wie zu besten New-Economy-Zeiten. Und damit niemand den Eindruck bekommt, dass bei match.com oder neu.de nur der Mehrwert regiert und nicht auch die aufrichtige Sorge um das Lebensglück des Users, präsentiert jede Seite stolz ihre Pärchen-Galerie: Irmi und Klaus, ganz in Weiß und das alles nur dank rosaherzchen.de.

Zeit für einen Selbstversuch also. Erkenntnis nach dem ersten Date: Wenn jemand nach mehr als 30 Jahren in der gleichen Stadt immer noch keine Freunde hat, dann hat das meistens Gründe. Krampfig ist gar kein Ausdruck. Obwohl via E-Mail noch alles recht nett gelaufen war, gestalten sich die Gespräche in der echten Welt ungefähr so locker wie das erste Kennenlernen mit den Großeltern des neuen Lebenspartners. Schon nach kurzer Zeit bin ich unglaublich froh, dass wir unsere Verabredung mit einem Kinobesuch verbunden haben. Wir wissen schon während der Werbung nicht mehr, was wir uns erzählen sollen.

Date Nummer zwei trinkt mich kurz und schmerzlos unter den Tisch, um sich dann mit dem Nächststehenden zu beschäftigen, der noch zu artikulierter Lautäußerung fähig ist. Nummer drei kommt aus der anderen Ecke Deutschlands und nutzt die Gelegenheit, um sich – rein freundschaftlich – in meiner Wohnung einzuquartieren und diese erst wieder zu verlassen, nachdem ich zehn Tage lang in meinen Schlafzimmer vor mich hin vegetiert habe. Alleine natürlich. Und ich schwöre, dass das alles passiert ist.

Was also läuft schief beim Verlieben via Internet? Vermutlich ist es die Tatsache, dass man einen Haufen Jahretausende lang eingeschliffener Kennenlern-Gepflogenheiten schlicht auf den Kopf stellt. Der Kontakt via E-Mail wirkt auf viele nämlich wie eine virtuelle Tarnkappe – geschützt hinter fast vollkommener Anonymität kehrt man schnell sein Innerstes nach außen, nur um dann beim ersten Treffen festzustellen, dass man einem optisch völlig Fremden mit ungewohnten Gesichtszügen und gewöhnungsbedürftiger Körpersprache gegenüber sitzt, der blöderweise schon weiß, dass man sich immer noch ärgert, dass man damals im Schultheater nicht den bösen Wolf spielen durfte. Oder schlimmeres.

Ganz zu schweigen von der Enttäuschung, die passieren kann, wenn wir jemanden gefunden haben, der voll mit uns auf einer Wellenlänge liegt. Der unsere Anspielungen versteht, den gleichen Humor hat wie wir, die richtigen Fragen stellt, die richtigen Antworten parat hat – und sich dann in der wirklichen Welt als unglaublich unsympathisch aussehender Waldschrat im angegilbten Hemd mit Schweißrändern unter den Armen entpuppt. Oder genau so perfekt ist, wie wir es erhofft haben, aber leider umgekehrt bei unserem Anblick Reißaus nimmt.

Ja, so etwas passiert. Natürlich sind wir alle emotional erwachsene Menschen und vor allem auf Charakter und Persönlichkeit? Tja - und wieder eine Lebenslüge beim Teufel.

Das heißt natürlich nicht, dass alle Hoffnung vergebens ist. Nach einer Emnid-Umfrage haben immerhin acht Prozent aller regelmäßigen Internet-Nutzer ihren derzeitigen Lebenspartner via Web kennengelernt und laut Gesellschaft für Konsumforschung wird das Netz als Bagger-Ort nur noch von der Arbeit und privaten Partys geschlagen. Aber im Netz dürfte der alte Spruch noch mehr Gültigkeit besitzen als in der echten Welt: Wer einen Prinzen finden will, muss manchmal verdammt viele Frösche küssen.

 

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