Kostenlos
vor dem Ende
Das Netz leidet sehr unter der Tatsache, dass man sich daran gewöhnt
hat, hier alles umsonst zu bekommen. Die deutschen Tageszeitungen versuchen
jetzt, Gebühren zu etablieren.
In den Print-Redaktionen deutscher Tageszeitungen werden die Internet-Aktivitäten der Verlage oft mit Misstrauen betrachtet. Kein Wunder – in der Regel wird doch auf den Zeitungs-Websites kostenlos genau das verbreitet, was in gedruckter Form den Lebensunterhalt von Redakteuren und Autoren sichern soll.
Die Frage, wie sich mit Zeitungsinhalten im Netz Erlöse generieren lassen, galt lange als das große ungelöste Problem im Spannungsfeld zwischen Print und Online. Doch in den letzten Monaten ist Bewegung in die Landschaft gekommen: Diverse Tageszeitungen verlangen seit kurzem Geld für den Zugang zu ihren Artikeln oder stellen sie auch online nur noch ihren Print-Abonnenten zur Verfügung. Texte zum Beispiel aus der gedruckten Rheinischen Post gibt es genausowenig mehr kostenlos wie die der Hannoveraner Zeitungen Neue Presse und Hannoversche Allgemeine. Stuttgarter Zeitung und Stuttgarter Nachrichten bereiten den Umstieg ebenfalls vor.
Als Argument für den Einstieg ins Bezahl-Internet dient vielerorts die Einführung so genannter E-Papers. Die neuen Angebote übertragen die Print-Anmutung auf das Internet: Die Zeitungsseite erscheint im Druck-Layout samt Fotos und Anzeigen in verkleinerter Form im Netz, jeder Artikel und jede Anzeige sind einzeln klickbar und werden dann in lesbarer Größe dargestellt. Dem bisherigen Print-Leser erleichtert das die Navigation in der Online-Ausgabe– und nebenbei lässt sich damit auch Geld sparen. Denn ist die Produktions-Software erst einmal eingerichtet und der Zugang zum Redaktionssystem geschaffen, entsteht das E-Paper fast vollautomatisch auf Knopfdruck. Redakteure, die bisher Textdateien für das Internet aufbereitet hatten, werden nicht mehr benötigt.
Deutscher Pionier in Sachen E-Paper ist die in Koblenz erscheinende Rheinzeitung, die bereits seit Dezember 2000 das neue Konzept im Programm hat. Für zwei Euro extra im Monat können Print-Abonnenten ihre Heimatausgabe seitdem auch via Internet lesen, weitere Lokalausgaben schlagen mit je fünf Euro zu Buche. Knapp 2500 Leser haben das Angebot bisher wahrgenommen, berichtet Joachim Türk, Geschäftsführer des Online-Auftritts. Er legt allerdings Wert darauf, dass es sich bei dem RZ-Online-Konzept nicht um eine unbearbeitete Übertragung aus dem Print handelt. So werden bei der Rheinzeitung auch im E-Paper Texte immer noch mit Hintergrund-Links versehen und auch Annoncen weisen oft den Weg zur Website des Kunden. Mit überraschenden Effekten: „Die Anzeigen werden stark genutzt“, so Türk.
Die höchste Zahl an Seitenabrufen verzeichnet man übrigens montags, wenn die Lokalsport-Tabellen im Netz stehen. Bis zu 40 000 Clicks stehen dann laut Türk zu Buche. Freitags sind es immerhin noch mehr als 33 000, während die Zahlen am Wochenende bis in den vierstelligen Bereich einbrechen. „Unser typischer Nutzer ist wohl der, der morgens beim Frühstück nur dazu kommt, die Zeitung durchzublättern“, schätzt der Geschäftsführer. „Im Büro geht er dann noch einmal online und liest die Texte, die er morgens nicht geschafft hat.“
Am meisten genutzt werden im Angebot der Rheinzeitung die lokalen Nachrichten. Eine Tatsache, die sich mit den Auswertungen vieler Regionalzeitungen deckt: Bei den Medien, die ihre Rubriken getrennt ausweisen, verzeichnet die Online-Statistik der Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern die höchsten Clickraten in der Regel im Bereich „News regional“.
„Der Lokalteil ist der Unique Selling Point der Regionalzeitungen“, meint auch Christoph Nogly, Multimedia-Referent beim Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger, „Informationen aus der Region hat in der Regel kein anderer“. Vom Ende der Kostenlos-Kultur im Netz mag er noch nicht sprechen. Allerdings sieht auch Nogly den Markt zurzeit in einer Umbruchphase: „Dass viele darüber nachdenken, wie man mit den Inhalten Geld verdienen kann, ist in der Branche kein Geheimnis. E-Papers sind ein klassisches Beispiel. Eine große Zahl arbeitet im Moment daran.“
Dass fleißig experimentiert wird, zeigen auch die Preismodelle der einzelnen Medienhäuser. Viele lassen ihre Print-Abonnenten kostenlos ins Online-Angebot, wie etwa die Hannoveraner Zeitungen, das Morgenweb, das die Internet-Auftritte von fünf Regionalzeitungen aus dem Rhein-Neckar-Raum bündelt, oder das Aschaffenburger Main-Echo. Andere, wie Rheinische Post oder Rheinzeitung, lassen sich den Service als eine Art Abo-Plus mit Beträgen zwischen zwei und fünf Euro pro Monat extra honorieren. Reine Abonnements für die Online-Ausgabe werden ebenfalls nur von einem Teil der Verlage angeboten: 14 Euro berechnet die Rheinische Post etwa pro Monat, 15 sind es bei Stuttgarter Zeitung und Stuttgarter Nachrichten. Und auch einzelne Ausgaben lassen sich nur bei einem Teil der Anbieter erwerben, meist zu Preisen zwischen einem und 1,50 Euro.
Beim Aschaffenburger Main-Echo werden seit einem guten Jahr 9,90 Euro pro Monat für die Nutzung des Internet-Angebots fällig. Wer die aktuelle Ausgabe am Kiosk erworben hat, findet darin einen Tagescode, mit dem er auch auf die entsprechende Online-Ausgabe zugreifen kann. Mit der Akzeptanz ist Eric Dauphin, Geschäftsführer der für den Online-Bereich zuständigen Verlagstochter Medien-Service Untermain, zufrieden: Knapp 120 reine Online-Abos wurden bisher verkauft, dazu kamen allein im ersten Monat nach der Änderung 400 Probeabos für die gedruckte Zeitung, die immerhin zu 20 Prozent in reguläre Abonnements umgewandelt wurden. Die Zahl der Seitenabrufe ist nach Angaben des Geschäftsführers durch die Umstellung beim Main-Echo kaum zurückgegangen. Am Anfang hätten sich zwar einige User beschwert, es habe sich jedoch gezeigt, dass 90 Prozent der Besucher gleichzeitig auch Leser der gedruckten Zeitung waren. „Nur ein paar Schwarzseher waren dabei“.
So sieht Dauphin im Online-Engagement seines Verlags auch eine Anpassung an die Bedürfnisse der nächsten Abonnenten-Generation: „Sie bekommen Jugendliche nur über so etwas zur Zeitung. Und alles, was unter 50 ist, wächst in dieses Medium hinein.“ Seine Prognose: Der Verlag werde immer mehr zum Informationshändler, der auch andere Inhalte und Medien im Portfolio haben müsse, um überleben zu können. Ob und wie kostenpflichtige Angebote allerdings zur Verbesserung der finanziellen Lage der Zeitungen beitragen können, dafür sieht auch BDZV-Mann Nogly kein Patentrezept: „Geld für Artikel im Internet zu verlangen, mag für einige richtig sein und für andere nicht. Das kommt auf die örtlichen Gegebenheiten sein.“
Nur in einem sind sich alle Verantwortlichen einig: Davon, sich aus eigener
Kraft tragen zu können, sind die Online-Auftritte der Tageszeitungen
trotz E-Paper und Online-Abos noch weit entfernt. „Die Investition
ins Internet ist eine Werbeausgabe“, fasst Main-Echo-Mann Dauphin
zusammen.
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