Wenn ich Tommy Franks wär'

Vor dem Irak-Krieg: Computerspiele und echter Kampf werden sich immer ähnlicher. Aber bei den Spielen ist die Grafik besser.

„Panzer walzen Bäume nieder und schrotten geparkte Autos. Zivilisten fliehen vor anrückenden Militärs und suchen im nächsten Gebäude Schutz. Riesige Gebäude wie ein Staudamm lassen sich zerstören und stürzen (...) bombastisch animiert ein. Bedrohlich blinkende Atomraketen, grüne Giftgas-Nebel“, meldet der begeisterte Beobachter. Es ist Krieg – allerdings beschreibt der Rezensent der Computerzeitschrift „Gamestar“ nicht die Bilder von CNN oder Al Dschasira, sondern Aminationen aus „Command & Conquer: Generals“, einem Strategie-Spiel des Herstellers Electronic Arts, mit dem der Computer-Zocker seit einigen Wochen beweisen kann, dass er der bessere Donald Rumsfeld wäre – oder der bessere Bin Laden.

In einem in naher Zukunft angesiedelten Szenario versucht eine Organisation namens „Global Liberation Army“ den Supermächten USA und China Paroli zu bieten. Mit konventioneller Kriegsführung ist wenig auszurichten. Aber dafür stehen dem Wohnzimmer-Terroristen alle Mittel zur Verfügung, die man auch aus den Abendnachrichten kennt: Selbstmord-Attentäter, Giftgas-Attacken, Milzbrand und, ein wenig spielerisches Geschick vorausgesetzt, irgendwann auch die erste eigene Atombombe. Auch Angriffe auf UN-Konvois gehören zum Repertoire. Zur schnellen Fortbewegung dient ein weit verzweigtes Tunnelsystem, die Operationsbasis der ersten Missionen liegt in der irakischen Wüste.

Die atemberaubende Grafik, die es erlaubt, im Gasnebel erstickende Soldaten per Großaufnahme in allen Details sterben zu sehen, wird allerorten gelobt. Was den Plot angeht, machen sich bei vielen Rezensenten allerdings Magenschmerzen breit.

Mit „Geschmackssache“, umschreibt etwa die „Chip“ das Szenario des Spiels. Anderswo wird man deutlicher: „Dabei unterstellt „Generals“, das irakische Regime sei gleichzusetzen mit islamischen Terrororganisationen. Die GLA wird im Spiel offensichtlich zum Stellvertreter von Terrorgruppen wie Al Quaida: ihre Einheiten haben arabische Gesichtszüge, sprechen mit arabischem Akzent und kleiden sich in arabischer Weise, die Gebäude sind ebenfalls in arabischem Stil gehalten, und auch die einsetzbaren Waffen entsprechen denen von islamischen Terrororganisationen. Die Spielanleitung erwähnt darüber hinaus, dass die GLA „Schläfer“-Zellen in Europa unterstütze, um ihren Einfluss zu vergrößern“, bemerkt die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften in ihrem Gutachten zum Spiel. So viel Wirklichkeitsnähe ging den Jugendwächtern dann doch zu weit – das Spiel landete auf dem Index, obwohl die freiwillige Selbstkontrolle der Spiele-Hersteller „Generals“ zuvor eine Freigabe ab 16 Jahren erteilt hatte.

Nun ist es nicht neu, dass Kriegszeiten ihre eigenen Spiele hervorbringen: Schon im Zweiten Weltkrieg konnte sich der Hitlerjunge im Luftschutzkeller mit dem „Adler-Luftverteidigungsspiel“ ganz nah an der Front fühlen, während er auf die Entwarnung wartete. Und auch „Generals“ ist nicht der einzige virtuelle Kriegsgewinnler der Gegenwart.

„Wartainment“ nennt man so etwas. Und was dabei ins Auge fällt, ist, dass die Berührungspunkte zwischen der Computer-Welt und realen Militäreinsätzen in den letzten Jahren immer zahlreicher werden: Mussten die US-Marines vor Jahren in Ermangelung speziell entwickelter Software noch mit dem Ego-Shooter „Doom“ den Einsatz trainieren, überraschte die US-Army im letzten Jahr mit „America’s Army“, dem ersten selbst entwickelten Beitrag zum Thema. Gut und böse ist klar definiert – und praktischerweise lässt sich aus dem Spiel direkt eine Website aufrufen, die Informationen zu möglichen Laufbahnen in der Armee bietet.

Dabei nutzen die G.I.s die Tatsache aus, dass bei den Jugendlichen zwischen dem Höhepunkt der Spiele-Begeisterung und dem wehrfähigen Alter nicht viel Zeit vergeht. Und auch das Berufsbild des real existierenden Soldaten nähert sich immer weiter dem des Computerspielers an: So werden die unbemannten Predator-Drohnen der Amerikaner längst im sicheren Kommandostand aus einer Art virtuellem Cockpit geflogen. Kameras und Sensoren sorgen für „echte“ Eindrücke aus dem Flugkörper – realer kann ein Flugsimulator nicht mehr werden.

Für die Zukunft geistern erste Pläne für den technik-gestützten Bodensoldaten durch die Medien: Angetan mit Holo-Brille und unterstützt von Zusatzmuskeln in einer Art Außenskelett soll der militärische Semi-Cyborg in Sachen Leistungsfähigkeit und Ausdauer dem Normalmenschen weit überlegen sein – zumindest so lange, wie die Batterien halten.

Neuester Beitrag des Militärs zum Computerspiele-Markt sind übrigens die Titel „Full Spectrum Command“ und „Full Spectrum Warrior“, die vom Institute for Creative Technology an der University of South California mit Regierungsgeldern entwickelt wurden und sowohl Soldaten als auch Normal-Spielern zur Verfügung stehen. An der PC-Version „Command“ lobt das „National Defense Magazine“ unter anderem die Trainingsmöglichkeiten für unkonventionelle Strategien im Häuserkampf – nicht wirklich weit weg von möglichen Szenarien für den Irak-Krieg.

Nur muss jetzt die Realität langsam aufholen: Mit unscharfen Aufnahmen aus der Wärmebild-Kamera wie im letzten Golfkrieg lässt sich gegen Spiele wie „Generals“ kein Blumentopf gewinnen.

Und man sollte man nicht vergessen, dass man in der wirklichen Welt nicht zwischendurch abspeichern kann.

 

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