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tippen statt Nummer ziehen
Bis Ende 2005 will der Bund den elektronischen Behördengang realisiert haben. Doch die meisten Dienstleistungen liegen
in der Obhut der Kommunen - und da hakt es noch. Eine Zwischenbilanz.
Wer von einer Behörde zurückkommt, weiß, was verlorene Lebenszeit ist: Einmal Auto anmelden und zumindest ein halber Tag ist futsch. Auch beim Bürgeramt ist die mitgebrachte Tageszeitung meist längst ausgelesen, bis man endlich der Sachbearbeiterin das Foto für den neuen Personalausweis in die Hand drücken darf. Und für den öffentlich Bediensteten mit Kundenkontakt ist das Leben ebenfalls nicht immer einfach: Da wollen von Hand ausgefüllte Formulare ins Computer-System eingegeben werden, um Vorgänge weiter bearbeiten zu können, ständig klingelt das Telefon, nur deshalb, weil ein Bürger wissen möchte, ob sein Reisepass schon da ist, oder welche Dokumente es braucht, wenn man einen Waffen-, Jagd- oder Angelschein beantragen möchte.
Könnte man Verwaltungsvorgänge komplett elektronisch abwickeln, so würde das allen Beteiligten Zeit, Nerven und nicht zuletzt Geld sparen. Das hat auch die Bundesregierung erkannt – und zwar schon im Jahr 2001. „Bund online 2005“ heißt das Programm, für dass Bundesinnenminister Otto Schily insgesamt 1,4 Milliarden Mark freigab und dessen Ziel es ist, bis Ende kommenden Jahres alle internet-fähigen Dienstleistungen des Bundes zur Verfügung zu stellen. Mit Einsparungen von 400 Millionen Euro pro Jahr rechnet das Ministerium, wenn der Plan erst erfüllt ist – womit sich das investierte Kapital zügig wieder amortisiert hätte.
Etwas mehr als die Hälfte der eingeplanten Zeit ist inzwischen vergangen und der Bund liegt, glaubt man seinen Angaben, gut im Plan: Knapp 260 der nach letztem Stand exakt 449 für internet-fähig befundenen Dienstleistungen waren kurz vor Jahreswechsel im Netz, vermeldet das Ministerium auf seiner Website. So verwertet der Zoll sichergestellte Gegenstände mit großem Erfolg in einer Art bundeseigenem Mini-Ebay unter www.zoll-auktion.de. Patente lassen sich online anmelden, Anträge auf Bafög-Rückzahlung stellen und auch das Auswärtige Amt nimmt Bewerbungen für den höheren diplomatischen Dienst gern via Internet-Formular entgegen. Was genau schon online möglich ist, lässt sich im Fortschrittsanzeiger unter www.bundonline2005.de nachschlagen.
Doch wer sich die Liste genauer ansieht, merkt auch, wo eins der Kernprobleme in Sachen elektronische Verwaltung liegt. Denn zwar stellt zum Beispiel der Bundesfinanzhof allgemeine Informationen über sich selbst ins Netz und lässt dies als realisierte Dienstleistung mitzählen. Aber viele der aufgezählten Aktivitäten sind reine Info-Angebote oder dienen nur der besseren Abwicklung des Datenverkehrs der Behörden untereinander – die oben erwähnten Zeitfresser fehlen in der Liste.
Kein Wunder: Von Auto-Anmeldung über Meldesachen bis zum Wohngeld liegen die meisten Behördenangelegenheiten, mit denen Otto-Normalbürger so zu tun hat, in der Verantwortung der Städte und Gemeinden. Und bei denen will sich niemand auf das Jahr 2005 festnageln lassen. „Viele Kommunen haben Nachholbedarf“, meint auch Dirk Inger vom Bundesinnenministerium. Allerdings müssen diese den größten Teil ihrer Online-Initiativen aus dem normalen Haushalt bestreiten – und wenn die Kassen, wie fast überall, leer sind, motiviert das nicht gerade dazu, in Sachen Behördengang via Internet aufs Tempo zu drücken.
Zudem liegt der Teufel im Detail: Bei vielen Behördenangelegenheiten muss sich der Bürger absolut sicher legitimieren können, weil ansonsten die Missbrauchsgefahr zu groß wäre. Die bereits existierende elektronische Einkommensteuererklärung Elster kann daher zwar online eingereicht werden, trotzdem muss aber noch ein Kurzformular per Post hinterher, der Unterschrift wegen – ein Fortschritt, aber kein wirklich zukunftsweisendes System. Auch müssen für vieles mehrere Gemeinden zusammenarbeiten – etwa bei An- und Abmeldungen. Dazu müssen erst einmal die verschiedenen EDV-Systeme kompatibel gemacht werden – und nicht zuletzt möchte der Staat für viele Dienstleistungen Geld sehen, welches auch online gezahlt werden muss.
Auch der Datenschutz bremst gelegentlich den Erfindergeist der kommunalen Internet-Afficionados: So wären zentrale Datensätze zwar der Traum eines jeden Sachbearbeiters, aber dazu wäre erst einmal zu klären, welche Behörde an den Erkenntnissen welcher anderen partizipieren darf – ob etwa das Sozialamt wissen sollte, wer ihrer Kunden gerade ein neues Auto angemeldet hat. „Anspruchsvoll“, meint Inger zu der Fülle von Detailfragen. Teils müssen komplette Verwaltungsabläufe umgekrempelt werden, um Dienstleistungen ins Netz zu bringen „Es reicht ja nicht aus, einfach einen Stecker in die Aktenumlaufmappe zu stecken.“
Einheitliche Standards für Datenformate und -übertragung werden gerade entwickelt. Leider werden damit aber gerade die Gemeinden bestraft, die schon früh damit begonnen hatten, ihren Bürgern via Internet zu helfen. Denn dazu wurden meist individuelle Insel-Lösungen entwickelt, die nun in der Regel wieder eingestampft werden müssen. Zumindest zeichnet sich aber für die Frage elektronischer Unterschriften eine Lösung ab: Favorisiert wird eine Legitimation via Chipkarte, die vor dem heimischen PC in ein spezielles Lesegerät gesteckt werden muss. Damit die Karten erst einmal in Umlauf kommen, wollen Banken und Krankenkassen noch in diesem Jahr damit beginnen, die Signaturchips auf Gesundheits- und EC-Karten zu platzieren. Das Lesegerät allerdings müsste der online-affine Bundesbürger nach momentanem Stand selbst kaufen. Umständlich, aber sicher, meint Inger. Er hofft, dass sich der Standard durchsetzt, sobald genügend Angebote im Netz sind: „Im Moment kann man noch nicht viel damit tun, deshalb haben sich erst wenige Leute diese Karten zugelegt.“
Für die Wirtschaft dagegen bietet die Bundesinitiative schon echten
Nutzwert: So lässt sich die von vielen kleinen Unternehmen wegen des
hohen Aufwands gefürchtete Außenwirtschaftsstatistik des Statistischen
Bundesamts bereits online füttern, im Lauf des Jahres will der Bund
alle seine Ausschreibungen via Internet öffentlich machen. Ende 2005
soll sogar die komplette Auftragsvergabe des Bundes via Internet abgewickelt
werden. Bis der normale Bürger seine kompletten Behördengeschäfte
auch virtuell erledigen kann, wird es dagegen wohl noch das eine oder andere
Jahr länger dauern. Und allumfassendes Glück kann auch das Netz
nicht stiften: „Die Musterung zum Beispiel werden wir wohl nie online
anbieten können“, so Inger.
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