Mönchengladbach geht ins Netz

Mönchengladbach online? Von wegen! Die inzwischen gar nicht mehr so wenigen Internet-Surfer in der Vitusstadt mussten eventuell vorhandenen Lokalpatriotismus beim Blick auf den Schirm bislang ganz schnell verdrängen: Unter dem Suchwort "Mönchengladbach" fanden sich außer Borussia und einem Rheydter Ingenieurbüro nur die Weiten der Cyber-Steppe. Seit dem 1. April gibt es allerdings Hoffnung: MG-Online will die Stadt ins Netz bringen.

"Ich hab im Net nach Mönchengladbach gesucht und da war - nichts!" Helmut Rupp ist ein Freak. "Ich will morgens um drei abrufen können, wann das Sozialamt auf hat. Ich will nicht erst zum Kiosk fahren müssen, um an einen Veranstaltungskalender zu kommen."

Für Leute mit Rupps Anspruch sah die Lage in der Vergangenheit eher düster aus. Im Netz gähnende Leere, die offizielle Stadt glänzte durch Abwesenheit, anderen Organisationen fehlte das Know-How und Berührungsängste gab es zuhauf: "Kinderpornos, Neonazis, Viren, Hacker ...natürlich gibt's das im Internet, weil - im Internet gibt es alles." Was aber tun, um der Stadt endlich einen Daten-Autobahnanschluß zu verpassen? Rupp und sechs weitere lokalpatriotische Surfer (die sich natürlich in einer Mailbox kennengelernt hatten) kamen Heiligabend '95 auf eine Idee: Sie
Mieteten beim Internet-Provider (=Anbieter) America Online ein Plätzchen auf der Festplatte, machten flugs einen Container auf, also eine Sammeladresse für verschiedene Seitenanbieter und suchten nach Interessenten.

Unter anderem tummeln sich bei MG Online, so der Name des Vereins, den die sieben derzeit gründen, die Caritas, die Junge Union MG-Stadtmitte, der Kinderschutzbund Mönchengladbach und diverse Privatpersonen. Den offiziellen Veranstaltungskalender der Stadt Mönchengladbach nebst Statistik und Stadtchronik sowie einen Link (= eine direkte Verbindung) zu den Internet-Seiten von Borussia Mönchengladbach gibt es natürlich auch - und das Stadtmagazin ist mit einer 14-tägig aktualisierten Online-Ausgabe samt Veranstaltungskalender vertreten.

Angenehmer Nebeneffekt der Zusammenarbeit mit America Online ist dabei, dass sämtliche Daten auf einem Server (= einem Rechner mit Netzverbindung) in San Francisco abgespeichert sind. Ein Zugriff von deutschen Behörden, der via Zensur von Seiten der Anbieter für die inzwischen oberflächlich klinisch reinen und im Hintergrund noch genauso "schmutzigen" Netze der Provider Compuserve und T-Online gesorgt
hat, ist also nicht möglich. Trotzdem will man MGonline den Container nicht zur Müllabladestelle werden lassen: "Kindersex und politischen Extremismus wird es bei uns nicht geben. Wir programmieren alle Seiten selbst und wenn uns jemand so etwas anbietet, fliegt er raus", betont Christoph Dohmen, ein anderer MGonliner.

Lutz Münstermann von der Caritas ist vom neuen Angebot sehr angetan: "Das Internet ist eine große Chance, ein Klientel anzusprechen, das sich sonst nicht über uns informieren würde. Außerdem können wir so über Caritas-Angebote informieren, die nicht so im Blickfeld stehen."
Die Stadt Mönchengladbach hält sich dagegen eher bedeckt: "Wir haben MGonline nur erlaubt, die Daten zu übernehmen, die jedem Bürger offenstehen." Hintergrund: Das Presseamt bastelt zur Zeit an einer eigenen Mailbox, die aber nicht via Internet, sondern nur per Computermodem erreichbar sein soll.

Für die Zukunft wünschen sich die MGonliner noch viel mehr Mönchengladbacher in ihrem Container: "Bands, Künstler, Verbände, Organisationen und natürlich auch Privatpersonen", für die die eigene Homepage (= selbstgestaltete Seite) schon ab 10 Mark pro Monat zu haben sind, Programmierung im HTML-Code, regelmäßige Wartung und Aktualisierung der Seiten inbegriffen - und zwar unabhängig vom Umfang. Damit das Ganze in Zukunft noch bunter und lauter wird, arbeiten Rupp, Dohmen und Konsorten zur Zeit an der Möglichkeit, Videos und Tonbeispiele in die Seiten einzubauen - zum Beispiel als virtuelles Demo tape. Dass Mönchengladbach im Netz Zulauf findet, beweist die Tatsache, dass die Demoversion des Containers innerhalb von zwei Wochen von über 1500 Surfern aufgesucht worden ist, unter anderem von Exil-Gladbachern aus New York und Paris - und das, obwohl die Internet-Adresse zu diesem Zeitpunkt noch nirgends publiziert worden war.

 

Seitenanfang

Übersicht

 

     [ Home ]  [ Texte / Beiträge ]  [ Themen ]  [ Lebenslauf ]  [ Kontakt ]  [ Sitemap ]
             [ Print ]  [ Radio ]  [ Netz ]  [ Extras ]
     [ Menschen ] [ Musik ] [ Uni ] [ Motor ] [ Immobilien ] [ PC ] [ Netzwelt ] [ Reportage ]