«Proposition»: Spätwestern auf australisch
13. Feb 20:54
| Einsamer Reiter: Charlie Burns (Guy Pierce) sucht seinen Bruder | Foto: Promo |
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Nick Cave hat das Drehbuch für einen
australischen Berlinale-Beitrag geschrieben. Herausgekommen ist ein
wuchtiger, grausamer und optisch brillanter Anti-Western.
Wenn Nick Cave einen Songtext schreibt, dann ist der in
der Regel düster, nicht selten brutal und trotzdem oft romantisch.
Warum also sollte das anders sein, wenn der Herr der «Bad Seeds» zum
Drehbuchautor wird?
«The Proposition», für den Cave zum ersten Mal ein
Drehbuch in Angriff genommen hat, ist ein klassischer Anti-Western der
Marke Peckinpah oder Altman – nur, dass sich Outlaws, Ureinwohner und
Gesetzeshüter diesmal im australischen Outback gegenüber stehen. Und er
ist großes Kino.Schon die Eingangsszene ist furios und brutal
zugleich: Angriff in der Nacht, hunderte von Kugeln treffen eine Hütte
in der Mitte von Nirgendwo – drinnen stirbt alles, was sich vorher noch
bewegt hatte. Fast alles – das sieht man, als sich der Qualm verzogen
hat. Charlie Burns (Guy Pierce) und sein 14-jähriger Bruder Mikey
(Richard Wilson) haben das Gemetzel irgendwie überstanden. Beide
gehören zur berüchtigten Burns-Gang, die grausam durch das noch kaum
gebändigte Land marodiert.
Leben gegen Leben Der
Anführer auf der anderen Seite ist der britische Captain Stanley (Ray
Winstone). Als er die beiden in Gewahrsam nimmt, macht er Charlie ein
Angebot: Er wird ihn wieder laufen lassen. Als Gegenleistung muss
Charlie seinen ältesten Bruder Arthur (Danny Huston) töten, den
blutrünstigen Chef der Bande. Bruder Mikey bleibt als Faustpfand bei
Stanley und wird an Weihnachten gehängt werden, falls Charlie bis dahin
nicht die Leiche vorweisen kann.Die Landschaft glüht in «The
Proposal», wenn Arthur auf einem Hügel sitzt und in die weite Steppe
schaut – vor Hitze, aber auch von den Farben in den großartigen
Landschaftsaufnahmen her. Überall sind Mücken, Schweiß und Dreck,
moralisch integre Helden gibt es nicht – auch nicht Stanley oder
Charlie Burns, auch wenn diese beiden noch am ehesten aus edlen Motiven
handeln.
Temperaturen bis 57 Grad Durch
Terminprobleme sei man in den australischen Hochsommer gerutscht,
beschreibt Regisseur John Hillcoat auf der Berlinale – Temperaturen bis
zu 57 Grad Celsius, permanente medizinische Betreuung während des
Drehs. Vielleicht habe das die Atmosphäre so authentisch gemacht,
mutmaßt Hillcoat, vor allem die britischen Darsteller seien zu Anfang
entsetzt gewesen.Was ebenfalls fasziniert, ist die Ästhetik der
Gewalt in «The Proposition»: Da werden Gewehrkolben in Gesichter
geschlagen, bis das Opfer die Zähne ausspuckt, Kugeln schlagen in
Körper ein, in Großaufnahme wird ein halbes Gesicht weggeschossen. Aber
der Film ist hier nur konsequent, nicht nur auf Schockeffekte aus – wo
alles dreckig ist, da ist es auch die Art der Auseinandersetzung.
Regent seiner eigenen Welt Dazu
kommen starke Charaktere, neben Stanley und Charlie vor allem Arthur
Burns, einem grausamen Regenten seiner eigenen Welt, der mit aller
Macht gegen die Zivilisierung der Steppe kämpft. Als Gast darf noch
John Hurt einen irischen Säufer spielen, der verschlagener ist, als es
den Anschein hat, und mit dem es ebenfalls kein gutes Ende nimmt.Schwer
verwundet wird auch Charlie Burns auf der Suche nach dem Bruder – und
ausgerechnet da findet der ihn und lässt ihn von seinen Leuten wieder
aufpäppeln. Aber auch Captain Stanley hat die Fäden nicht mehr in der
Hand: Um den tyrannisierten Siedlern Genugtuung zu bieten, verspricht
ein Regierungsbeamter der Menge, Mikey werde öffentlich hundert
Peitschenhiebe erhalten – auch wenn jedem klar ist, dass der das kaum
überleben wird.
| Im Zwiespalt: Charlie (Guy Pierce, l.) und Arthur Burns | Foto: Promo |
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«Mein Skript war noch brutaler als der Film»,
beschreibt Nick Cave selbst. «John hat sich mehr auf die Effekte der
Gewalt konzentriert, aber das macht den Film noch viel kraftvoller.» 18
Jahre lang hat Hillcomb an seinem Projekt gearbeitet, bevor es
realisiert wurde. Nick Cave kam schon direkt zu Anfang ins Spiel –
allerdings nur für die Filmmusik. Erst als der angefressene Musiker
immer vehementer fragte, wann es denn nun etwas werde mit dem Film,
habe ihm Hillcomb gesagt, er solle das Drehbuch doch einfach selber
schreiben, erzählen die beiden die Geschichte heute.Dabei blendet
«The Proposition» auch nicht aus, wie die weißen Australier mit den
Ureinwohnern umgegangen sind – ein Tabu und einer der Gründe, warum es
schwierig war, eine Finanzierung für den Film auf die Beine zu stellen.
«Wir wollten einfach nur ehrlich damit umgehen, wie brutal die
australische Geschichte war», erläutert Hillcomb und Cave ergänzt, dass
die Darstellung nur deshalb so sein konnte, weil sowohl er als auch der
Regisseur seit 20 Jahren nicht mehr in ihrem Geburtsland leben. «Ich
wusste nicht, ob ich ein Drehbuch schreiben kann», sagt Nick Cave noch.
Aber nach «The Proposition» wünscht man sich, dass es nicht sein
letztes war.
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