«Prairie Home»: Warmes, altes Radio
13. Feb 09:37
| Starpower bei der Premiere: Lindsay Lohan (vorn), Woody Harrelson Meryl Streep und Robert Altman | Foto: AP |
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Lindsay Lohan, Meryl Streep und Robert Altman
waren in Berlin, um auf der Berlinale ihren Film vorzustellen. Der ist
ein mitreißender Ensemblefilm über den letzten Tag einer Radio-Show und
gleichzeitig tolles Gefühlskino.
Von Kai KolwitzMeryl Streep hat ein
unglaublich dreckiges Lachen. Das ist eine der Erkenntnisse des
Sonntagabends auf der Berlinale – vielleicht nicht die wichtigste, aber
doch zumindest eine interessante. Zum Einsatz kam das Streep’sche
Gelächter, als Kollegin Lindsay Lohan berichtete, die Zusammenarbeit
mit ihr sei «fürchterlich» gewesen. Nach Berlin waren beide gemeinsam
gekommen, um den neuen Robert-Altman-Film «A Prairie Home Companion»
bei der Berlinale zu präsentieren. Nach dem Freitags-Besuch von
George Clooney kamen damit auch die Herren auf ihre Kosten – ein
Journalist outete sich beim Frage-Antwort-Spiel zum Film gleich als
«Number One Fan» der in der Tat umwerfend aussehenden Streep. Doch
damit nicht genug: Auch der Regisseur selbst und der ebenfalls im Film
besetzte Woody Harrelson schritten über den Roten Teppich.
Aus der Zeit gefallen
Trotzdem war viel die Rede von jemanden, der nicht da
war: Garrison Keillor. Der moderiert seit 1974 die Live-Radio-Show «A
Prairie Home Companion» – Radio, wie es früher war, übertragen von der
Bühne und vor Publikum, mit einer Band, Gast-Interpreten vor allem aus
dem Country-Bereich, einem Geräuschemacher und fiktiven Sponsoren, die
etwa Kekse oder Klebeband an den Mann bringen wollen und deren Jingles
von der Band gespielt und von Keillor und seinen Gästen gesungen
werden. «Eine Show, wie es sie seit 50 Jahren nicht mehr gibt – nur hat
das diesen Leuten nie jemand gesagt», heißt es im Film dazu völlig
zutreffend.Weil das so ist, ist die Show aus St.Paul, Minnesota,
eine der erfolgreichsten in den gesamten USA – und mit dem Film hat
Keillor seinem Kind eine neue Facette hinzu gefügt: Mit einem Drehbuch
in der Hand gelang es ihm, Robert Altman davon zu überzeugen, einen
Film über den letzten Tag der Show zu drehen.
Abriss am Ende der Show?
| Garrison Keillor, Meryl Streep und Lindsay Lohan in Aktion | Foto: AP |
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Im Film hat eine texanische Firma Show und Theater
gekauft. Sie will alles abreißen und stattdessen ein Parkhaus
errichten. An diesem Abend wird der «Axeman» erwartet, der
Vollstrecker, der der Show ein Ende machen wird. Jeder im Ensemble weiß
das und doch wird nur hinter vorgehaltener Hand darüber geredet: «Wenn
man schlechte Nachrichten ignoriert, dann gehen sie vielleicht einfach
weg», meint Guy Noir (Kevin Kline) dazu, ein Detektiv wie direkt aus
einem Schwarze-Serie-Film entsprungen. Er bekleidet im Theater die
Position des Sicherheitschefs.Ansonsten besteht das Ensemble vor
allem aus Künstlern, die gemeinsam alt geworden sind und deren gute
Zeit lange zurück liegt: Die zotigen singenden Cowboys Dusty
(Harrelson) und Lefty (John C. Reilly), der inzwischen uralte ehemalige
Frauenschwarm Chuck Akers (L.Q.Jones), der bei den reiferen Semestern
aber immer noch punkten kann, die ehemals aus vier Mitgliedern
bestehenden Johnson Sisters, von denen nur noch Rhonda (Lily Tomlin)
und Yolanda (Streep) übrig sind und die auf der Bühne immer noch die
schönen Zeiten mit Farm und Mutti beschwören. Und dann geistert da noch
eine geheimnisvolle Frau im weißen Trenchcoat durch das Gebäude.
Typisch Altman Sie
alle haben viel gemeinsam erlebt – eine alte, immer noch nicht
verwundene Liebschaft hängt im Raum, man erzählt Geschichten, macht
Witze, lacht und weint zusammen, improvisiert über die kleinen Pannen
der Show hinweg und versucht, so zu tun, als wäre das heute nur eine
ganz normale Ausgabe von «A Prairie Home Companion».
Damit hat Altman wieder das geschaffen, was seit langem
sein Markenzeichen ist: Einen mit- und hinreißenden Ensemblefilm, in
dem sich viele kleine Handlungsstränge verknoten und wieder
auseinanderlaufen und in dem die Darsteller mit überbordender
Spielfreude große Auftritte – übrigens auch gesanglicher Art - haben
und sich trotzdem gegenseitig die Luft zum Atmen lassen. Gedreht worden
ist der Film vor Live-Publikum in dem Theater, in dem auch die echte
Show gemacht wird, nur fünf Wochen haben die Arbeiten gedauert – was
daran lag, dass Altman seine Schauspieler viel improvisieren ließ und
dass außerdem an mehreren Sets gleichzeitig gedreht wurde. «Je mehr
Hilfe ich bekomme, desto besser. Außerdem kann ich so jedem sagen, dass
er ja woanders hin gehen kann, wenn es ihm bei mir nicht passt»,
erklärte der Regisseur augenzwinkernd seine Vorliebe für große
Ensembles, und: «Ich glaube, dass sie viel improvisiert haben – ich
habe das Drehbuch ja gar nicht gelesen.»
Die Erweckung der Lindsay Lohan Eine
enorme Menge Wärme strahlt aus «A Prairie Home Companion» – nach fünf
Minuten fühlt man sich als Teil der Familie, lacht mit ihr und
zerdrückt auch heimlich mal ein Tränchen, wenn die Sentimentalität
überbordet. Für Lindsay Lohan, die im Film Meryl Streeps Tochter spielt
und die in Berlin im rückenfreien weißen Kleid und mit schwarzen statt
der im Film blonden Haare auftrat, war die Arbeit nach eigenen Angaben
schon fast ein Erweckungserlebnis. Als ihr «Herbie»-Film zur Sprache
kommt, beteuerte sie, von dieser Art der Arbeit viel mehr beeindruckt
gewesen zu sein als vom Zusammenspiel mit einem Auto. Sie wolle an
ihren darstellerischen Qualitäten arbeiten, um mehr solcher Rollen
spielen zu können, gefolgt von einem gehauchten: «Thank you».
Starsuche im Museum Altman
und Streep sehen in «A Prairie Home Companion» sogar eine subversive
Komponente, wenn das alte Amerika mit den emotionslosen Raffzähnen
neuer Prägung konfrontiert wird. Robert Altman, der in diesen Tagen 81
Jahre alt wird, und der mit Paul Thomas Anderson sogar einen
Ersatz-Regisseur vorweisen musste, um überhaupt eine Versicherung für
den Dreh zu bekommen, wird in diesem Jahr einen Oscar für sein
Lebenswerk erhalten. Zu einem «normalen» hat es trotz Filmen wie
«M.A.S.H.», «Nashville» und «Short Cuts» nie gereicht. «Ich habe
einfach nie ihren Geschmack getroffen», meint er selbst dazu.Und was
Meryl Streep angeht: Zwar wird sie die Stadt in Kürze wieder verlassen
– bis dahin hat sie aber den Ehrgeiz, in Berlin möglichst viele Museen
für zeitgenössische Kunst zu besuchen. Wenn also aus einer Ecke der
Neuen Nationalgalerie ein lautes Lachen dringt...
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