«Knallhart»: Bucks «Gangs of Neukölln»
12. Feb 2006 18:46
| Entspannung bei der Arbeit: Der Koksdealer hat etwas gegen Michaels verspannten Nacken. | Foto: promo |
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Mit «Knallhart» verlässt Detlev Buck sein
bewährtes Konzept. Der neue Film des «Männerpension»-Regisseurs zeigt
hart und dicht das Leben im Berliner Problembezirk.
Von Kai Kolwitz«Opfer» ist ein Schimpfwort.
Ganz besonders gilt das in Neukölln. Und der 15-jährige Michael (David
Kross) ist gezwungen, das schnell zu lernen: Nachdem der reiche
Liebhaber seiner Mutter (Jenny Elvers-Elbertzhagen) die beiden vor die
Tür gesetzt hat, führt der Weg für Mutter und Sohn nämlich aus dem
noblen Zehlendorf in den Problembezirk. Und wer hier in der Schule und
auf der Straße nicht zurück schlägt, der gerät schnell völlig unter die
Räder.
«Knallhart», der auf der Berlinale am Sonntagabend im
Panorama präsentiert wurde, ist der neueste Film von Detlev Buck, aber
er ist ganz sicher kein typischer Buck-Film: Zwar mit einigem an
Situationskomik und Dialogwitz, aber definitiv keine Komödie. Eher
schon eine Berliner Milieustudie, ein deutscher Mafia- oder
Gangsta-Streifen oder, wie es in der Unterzeile heißt: «Ein
Großstadtfilm».
Prügel und Freunde In
der neuen Schule gerät Michael schnell ins Visier von Erol (Oktay
Özdemir) und dessen Bande, die ihn direkt am ersten Tag übel verprügeln
und ihm seine Turnschuhe abnehmen. Zwar findet er mit Crille (Arnel
Taci) und Matze (Kai Michael Müller) zwei Freunde, aber gegen Erol und
Co. können die ihm auch nicht helfen. Für Michael ist nichts in
Ordnung: Die Wohnung ist ein Loch, der neue Liebhaber seiner Mutter
klaut ihm sein letztes Geld und Erols Terror wird zum Dauerzustand.
Allerdings ist Michael beim Versuch, ein Handy zu verkaufen, dem
Großdealer Hamal (Erhan Emre) und dessen Leuten über den Weg gelaufen –
und bei dem ist gerade eine Stelle frei geworden.
Thema setzen Als
Erol und Co. ihr Lieblingsopfer gerade wieder in die Mangel nehmen
wollen, retten Hamals Leute den 15-Jährigen. Als Gegenleistung für
seine Dienste bieten sie Michael Schutz vor Erol – und gutes Geld lässt
sich als Kurier auch verdienen. Weil Michael geschickt ist, steigt er
in Hamals Organisation schnell auf. Aber Erol wartet nur auf eine
Gelegenheit, sich zu rächen.Er habe mit «Knallhart» ein Thema setzen
wollen, erklärt Buck auf der Pressekonferenz zum Film – und das ist ihm
zweifellos gelungen. Bucks Neukölln ist ein Bezirk der Abgerutschten
und Ausgegrenzten, in dem die verschiedenen Kulturen
aufeinanderprallen. Dabei geht der Film mit allen Akteuren und
Nationalitäten fair um. Die Figuren haben Tiefe und sind unterhaltsam,
aber trotzdem keine Abziehbilder – es gibt kein Schwarz und kein Weiß
und auch keine einfache Lösung des Problems.
Starker Hauptdarsteller Besonders
die Wahl von Hauptdarsteller David Kross ist dabei ein echter
Glücksgriff: Der 15-Jährige, den Bucks Tochter ins Spiel brachte,
beeindruckt durch sein emotionales Spiel und wirkt absolut glaubhaft.
Dazu kommt die packende und dichte Atmosphäre, die der Film auf den
lauten, hektischen Straßen im Neuköllner Norden eingefangen hat.
«Manchmal wünsche ich mir, dass es einfach nur still ist», meint
Michael einmal. Bleibt die Frage, wie nah «Knallhart» mit seiner
Brutalität und Perspektivlosigkeit denn dran ist an der Wirklichkeit im
echten Berlin-Neukölln. «Dieses Milieu gibt es in Neukölln, und der
Film schildert es realistisch», attestierte Bezirksbürgermeister Heinz
Buschkowsky (SPD) dem Film im «Tagesspiegel» und auch der Grüne Cem
Özdemir schreibt in einem Kommentar zu dem Film, «Knallhart» «zeigt den
Berliner Stadtteil Neukölln mit all seinen sozialen Problemen
ungeschminkt und ungeschönt.» Natürlich darf man bei all dem
nicht vergessen, dass «Knallhart» immer noch ein Film ist, in dem
zwangsläufig einiges verdichtet und aus spannungserzeugenden Gründen so
und nicht anders gemacht worden ist. Aber die Diskussion um die
Zustände, die es nicht nur in Neukölln gibt – vielleicht kann sie der
Film weiter ins Blickfeld rücken.
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