Berlinale-Preisträger: «Geplättet und gebafft»
19. Feb 09:00, ergänzt 12:08
| Prophetische Geste: Auf Weg zur Gala konnte Moritz Bleibtreu noch gar nicht wissen, dass er Gewinner sein würde | Foto: dpa |
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Tränen und Freudenschreie hat es bei der
Berlinale-Gala gegeben - zum ersten Mal erfuhren die Preisträger erst
dort, dass sie einen der Bären gewonnen hatten. Auch drei Deutsche
durften jubeln.
Von Kai Kolwitz«Geplättet und gebafft» sei
er, sagte Moritz Bleibtreu bei der Pressekonferenz nach der Verleihung
der Preise. Auf der Bühne des Berlinale-Palasts hatte der für seine
Rolle in «Elementarteilchen» ausgezeichnete Schauspieler noch
erhebliche Probleme gehabt, seine Dankesworte in eine sinnvolle
Reihenfolge zu bringen: «Das trifft mich in einem merkwürdigen Moment –
es ist wahnsinnig, wenn alles gleichzeitig kommt».
Was das bedeutet? Das wollten die Journalisten
anschließend auch wissen. Aber das ist Privatsache: «Das ist ein
spezieller Moment meines Lebens – das geht Euch gar nichts an»,
erwiderte Bleibtreu mit breitem Grinsen.Die 56. Berlinale-Gala war
eine emotionale Premiere gewesen: Zum ersten Mal in der Geschichte des
Festivals erfuhren nämlich auch die Preisträger selbst erst bei der
Verleihung, dass sie den Goldenen oder einen Silbernen Bären in Empfang
nehmen durften. Entsprechend ungefiltert kamen die Gefühle an die
Öffentlichkeit:
Fassungslose Regisseurin Den
ergreifendsten Auftritt des Abends hatte dabei Pernille Fischer
Christensen: Schon als die dänische Regisseurin für ihre Komödie «En
Soap», die Geschichte einer Freundschaft zwischen einer Frau und einem
Transsexuellen, die Auszeichnung für den besten Debütfilm in Empfang
nehmen durfte, hatte sie große Probleme gehabt, die Fassung zu
behalten.
Als die Juroren dann auch noch verkündeten, dass «En
Soap» zusätzlich noch mit dem großen Preis der Jury bedacht wurde,
brachen bei Fischer Christensen alle Dämme: Weinend und mit weit
aufgerissenem Mund saß sie während des gesamten Filmtrailers erstarrt
auf ihrem Platz, auf der Bühne musste sie sich erst einmal in den Arm
nehmen lassen, bevor sich der Druck in einem Freudenschrei entlud. «Mir
schwindelt», meinte sie später. «Ich habe gedacht, ich gehe als
Zuschauerin zu der Gala und kann mir von den Großen etwas abgucken.»
«Die Aufmerksamkeit der Welt» Andere
nutzten die Gelegenheit, um noch einmal die Anliegen zu transportieren,
die schon im Mittelpunkt ihrer Filme gestanden hatten. So widmete
Jasmila Zbanic, Regisseurin des mit dem Goldenen Bären für den besten
Film bedachten «Grbavica» ihre Auszeichnung den vergewaltigten Frauen
des Bosnien-Kriegs. Auch für die 31-Jährige war es der Erstlingsfilm
gewesen. «Ich wünsche mir die Aufmerksamkeit der Welt, denn wir haben
keine Schlagzeilen.» Im vergangenen Jahr erst seien die 20.000
Frauen als Kriegsopfer anerkannt worden, Renten oder Entschädigungen
gebe es nicht, so dass viele gezwungen seien, von 15 Euro Sozialhilfe
im Monat zu leben, «während Kriegsverbrecher wie Karadzic und Mladic
frei in Europa leben.»
«Konsequenz von Kraft und Mut» Auch
Michael Winterbottom, mit dem Regiepreis bedachter Macher von «Road to
Guantanamo» wünschte sie die Auflösung des Lagers, während der Iraner
Jafir Panahi, dessen «Offside» ebenfalls mit einem «Großen Preis der
Jury» wurde, sich nichts mehr wünschte, als das seine Komödie über
nicht ins Stadion eingelassene weibliche Fußballfans auch im
heimatlichen Iran laufen darf. Und zwar am besten «einen Monat vor der
Fußball-WM».
Bei den deutschen Preisträgern Bleibtreu, Jürgen Vogel
(beste künstlerische Gesamtleistung für «Der freie Wille») und Sandra
Hüller (beste Schauspielerin für «Requiem») stand dagegen die Freude
über den Preisregen für deutsche Produktionen im Vordergrund: «Eine
ganz ganz tolle Leistung, die Konsequenz von Kraft und Mut»,
kommentierte Jürgen Vogel die Arbeiten seiner Kollegen. «Es gibt mehr
unabhängige Filme, mehr Freiheit.» Es gehe nicht mehr nur darum, gut
auszusehen und viele Actionszenen einzubauen, der Trend gehe wieder zum
Inhalt. Nur eins wollte Vogel dann doch nicht: seinen Bären für die
Fotografen küssen. Moritz Bleibtreu hatte da weniger Skrupel,
inhaltlich blieb er aber auf der Linie des Kollegen: «Von Jahr zu Jahr
ist es geiler, in Deutschland Filme zu machen.» Den letzten Satz seiner
Dankesrede widmete Bleibtreu, der vor Aufregung immer wieder in den
norddeutschen Slang rutschte, einer ganz speziellen Person: «Meiner
Mutter, von der ich alles gelernt habe.»
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