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STUDIEREN AUF POPSTAR Mission Blickkontakt Von Kai Kolwitz Daniel Küblböck würde es hier vermutlich nicht mal durch die Tür schaffen, Tickets für den Weg zum Ruhm verteilt auch niemand. Trotzdem hat Hamburgs Musikhochschule mehr Karrieren beflügelt als alle Casting-Shows zusammen: In ihren Popkursen lernten sich Wir sind Helden kennen, auch Seeed und die Cultured Pearls waren da. Rock'n'Roll ist das nicht in Raum BE1. Holzvertäfelung, Parkettfußboden und der Konzertflügel in der Ecke lassen eher Assoziationen an den Musikunterricht damals in der Schule aufkommen. Ein bisschen Staub liegt in der Luft. Und Angela hat ein Problem.
Schüchternheit kann reizvoll sein - aber ein bisschen stört sie doch, wenn man sich für eine Karriere als Sängerin und Songwriterin entschieden hat. Denn deshalb ist Angela hier: Der Kontaktstudiengang Popularmusik an der Hamburger Musikhochschule wollte zwar nie ein Durchlauferhitzer für angehende Popstars sein. Aber vermutlich ist er es genau deshalb trotzdem geworden. Angela muss die Dozentin ansingen "Wir sind Helden" haben sich hier kennengelernt, der Sänger von Seeed war da, die Cultured Pearls legten an der Alster den Grundstein - und vor 20 Jahren hat sich auch Ute Lemper hier Tipps für ihre Bühnenperformance und den Umgang mit der Plattenindustrie abgeholt.
Trotzdem darf Angela das Stück als nächstes noch einmal ohne Gitarre vortragen, während die Dozentin dreißig Zentimeter von ihr entfernt sitzt. Mission Blickkontakt. Und langsam, aber sicher taut sie auf. Wer in Hamburg mitspielen darf, hat das Schwierigste schon hinter sich: 50 Teilnehmer akzeptiert die Hochschule für die zwei Arbeitsphasen, die jeweils während der Semesterferien stattfinden. Wer das ist, entscheiden die Dozenten anhand von Demo-Tapes, die jeder Bewerber mitschicken muss. Danach folgt ein Vorspieltermin, bei dem abgecheckt wird, ob die Kandidaten in punkto Persönlichkeit, Talent und Können auch wirklich den hohen Ansprüchen genügen. Ausgefuchste Lehrer für 50 Bekloppte Mit 511 Euro ist der Spaß nicht ganz billig. Dafür gibt es dann allerdings auch jeweils drei Wochen mit bis zu zwölf Stunden Musik im Kreis von 49 ähnlich Verrückten und unter Anleitung von Lehrern, die zur Creme de la Creme dessen gehören, was die deutsche Musikszene zu bieten hat.
Es geht nicht allein ums Musikmachen, sondern auch um das Geschäft Musik: Worauf muss man bei Management- oder Plattenverträgen achten? Was kann man erst einmal selber erledigen? Was sollte man nicht unterschreiben? Wie organisiert man Auftritte, und wie sorgt man dafür, dass auch Zuschauer kommen? "Nachhilfe für naive Musiker" Nur eins sollte man nicht erwarten: Patentrezepte. Denn so unterschiedlich wie die Teilnehmer in den Kurs hineingehen, sollen sie auch wieder herauskommen. Nur etwas besser - Persönlichkeit statt Star Search. "Dadurch hatten wir dann auch schon so ein gewisses Wissen, das uns heute zugute kommt", erinnert sich "Helden"-Schlagzeuger Pola Roy. Frontfrau Judith Holofernes ergänzt: "Das ist wie eine Art Nachhilfekurs für naive Musiker. Da wird einem mal erzählt, wie die Gema funktioniert und die Künstlersozialkasse und warum man da drin sein sollte."
Weihe ist einer der gefragtesten deutschen Studio-Gitarristen und einer der Mitgründer des Studiengangs. Im Kurs ist er für etwas verantwortlich, das für das ungeübte Auge aussieht wie eine Mischung aus Bundeswehr und musikalischer Früherziehung: das Groove-Training. Hinter jeder Tür gute Musik Sieben Teilnehmer laufen im Takt stampfend hinter Weihe im Kreis herum, während der komplizierte Phrasierungen vorklatscht, die hinter ihm nachgeahmt werden. So etwas stärkt das Rhythmusgefühl. Heute läuft der Unterricht allerdings nicht wirklich flüssig. Das könnte daran liegen, dass gestern die Technik ausgefallen ist und viele der Teilnehmer deshalb stattdessen samt Instrumenten an der Alster waren, um dort eine kleine Session abzuhalten - und zwar bis fünf Uhr morgens. Aber gerade Nächte wie diese scheinen die Essenz des Kurses zu sein - auch für Teilnehmer Matze, der als "The unbearable Major Disaster" auf musikalisches Fortkommen hofft: "Du hast fünfzig super-talentierte Menschen, die Du sonst einfach nicht triffst. Egal welche Tür Du aufmachst, es kommt gute Musik raus."
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23. Oktober 2003 | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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