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SPIELER-MEISTERSCHAFT Studentenjob Bombenleger Von Kai Kolwitz Besonders blutrünstig sieht Roman nicht aus. Eher schon ein bisschen nach Schwiegermutters Liebling: Sportlich, mit ordentlich gebügeltem Hemd und nach hinten gegelten Haaren. Doch er ist auch einer der besten Counter-Strike-Spieler der Welt - mit Chancen, bei der deutschen NGL-Meisterschaft an diesem Wochenende zu punkten.
"Das war, als wenn Du im Fußball fünf zu null hinten liegst und dann haust Du den Ball in der letzten Minute vom eigenen Strafraum aus ins gegnerische Tor", erinnert sich der 21-Jährige an die Sequenz, die via Internet um die Zocker-Welt ging. Unverfroren und überraschend, so etwas mag der Berliner. Unter dem Alias mouz/Roman gehört er zum mousesports-Clan, einem Team semiprofessioneller Computerspieler, und am Wochenende vom 8. bis zum 10. April wird er in Berlin bei den NGL-Finals antreten. Die Veranstaltung ist eine Art Deutsche Meisterschaft der PC-Zocker, organisiert von der Netzstatt Gaming League NGL, einer von mehreren konkurrierenden Ligen für Computerspieler in Deutschland. Gespielt wird in insgesamt acht Disziplinen, vom Rechnerkick Fifa Football 2005 über das Strategiespiel Warcraft 3 bis hin zum Shooter Unreal Tournament. Hobby mit schlechtem Image
Roman teilt sich mit einem anderen im Team die Rolle des Taktikers, also die desjenigen, der mit Blick auf Gelände und Gegner die Strategie festlegt: dieser Gang oder ein anderer, Kräfte verteilen oder alles auf eine Karte, brachialer Vorstoß oder erstmal abwarten und gucken, was die anderen machen. Acht bis neun Varianten pro Map, also pro virtueller Landkarte, haben mousesports aus dem Stand in petto. Dazu werden permanent neue Taktiken ausgetüftelt, denn was man schon zu oft gespielt hat, das kennen irgendwann auch die anderen. Um auf dem Level von Roman zu agieren, sind pro Woche drei Trainingseinheiten à drei bis vier Stunden nötig - vor Turnieren auch gerne mehr. Doch der Einsatz lohnt sich: "Wenn wir bei den Finals gewinnen, dann können wir 10.000 Euro Preisgeld verdienen", rechnet der Student vor. "Nach Abzug der Kosten sind das knapp 2000 Euro pro Spieler." Bei den großen internationalen Events wie den World Cyber Games werden auch schon mal sechsstellige Dollar-Beträge unter den Spielern verteilt. Für das Geld sorgen Sponsoren, die erkannt haben, dass die Szene eine dankbare Zielgruppe ist, wenn es darum geht, Computer-Teile oder Lifestyle-Ware an den Mann zu bringen. Allerdings, Strategie hin, Teamplay her: Dass auf dem Bildschirm sehr realistisch aus der Ich-Perspektive geschossen und gemeuchelt wird, lässt sich nicht wegdiskutieren und trägt einiges zum schlechten Ruf bei, den Counter-Strike unter den Nicht-Spielern genießt. Die NGL kontert das mit dem Hinweis auf gut eine Million Aktive in Deutschland, die ja schlecht alle potentielle Amokläufer sein könnten. Außerdem arbeitet man mit der Bundesprüfstelle zusammen und betont, dass auf gut 1000 bisher veranstalteten Turnieren noch niemand jenseits des Bildschirms handgreiflich geworden ist. Auf dem Weg zum Sport Am Wochenende wäre alles andere als der Sieg für mousesports eine ziemliche Enttäuschung. Das Team gehört im Counter-Strike zu den zehn besten der Welt, landete auch bei internationalen Veranstaltungen schon öfters auf vorderen Plätzen. Das Wort "Profi" mag Roman allerdings nicht besonders. Er spricht lieber von "einem schönen Hobby, mit dem man auch noch Geld verdienen kann." Aber ab und zu wird er schon auf der Straße erkannt und um ein Autogramm gebeten. Und was in die Kasse kommt, reicht dafür aus, dass er sein Studentenleben finanzieren kann, ohne wie früher als Kellner oder auf dem Bau jobben zu müssen. Dazu kommen die vielen Reisen: "Korea, letztes Jahr dreimal USA, Cannes, Paris, Toulouse, Prag", listet er einige Orte auf, an denen er, Counter-Strike sei Dank, in letzter Zeit gewesen ist. Sein nicht-spielendes Umfeld reagiert daher mit Sympathie, gelegentlich mit Neid auf seine Nebenbeschäftigung, mit Vorurteilen wird er selten konfrontiert. Auch seine Eltern nehmen das Thema inzwischen gelassen: "Anfangs waren sie zwar etwas kritisch, aber sie sehen auch, was ich davon habe. Außerdem spiele ich ja nicht jeden Tag 20 Stunden Computer. Da halten mich ja schon meine Freunde von ab." Worauf die Szene nun vor allem hofft, ist, dass auch in Deutschland einmal eine Zeit kommen wird, in der das Zocken am Computer als ernsthafter Sport anerkannt wird. Es gibt Gerüchte, nach denen die so genannten E-Sports bei der Olympiade in Peking 2008 zumindest den Status eines Demonstrationswettbewerbs bekommen könnten und es gibt Videos aus Korea, in denen Tausende von tobenden Kids ein Baseball-Stadion füllen, in dessen Mitte zwei Spieler in schalldichten Glaskabinen gegeneinander antreten. Bis es in Deutschland soweit ist, wird es wohl noch eine ganze Weile dauern. "Aber", so meint Yilmaz, der Clanleader von mousesports: "Mit dem nächsten Generationswechsel wird das passieren." NGL-Finals vom 8. bis 10. April Ort: Cubix-Kino, Berlin, Alexanderplatz Übertragung per Livestream: http://www.gamesports.de/
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