Es
gibt im Fernsehen Sätze, an denen man sofort Sendung oder Serie erkennt:
"Hol schon mal den Wagen, Harry", ist so einer. Auch bei der Begrüßung
"N'Abend allerseits" müssen die meisten nicht lange überlegen. Aber:
"Inspektor gibts kaan"? Ein kniffeliger Fall.
Foto:
ZDF
Wagen und
Scharfsinn immer parat - Harry und
Derrick
Die Floskel stammt aus der
Krimi-Serie "Kottan ermittelt", die sich Ende der Siebziger, Anfang der
Achtziger den Freitagabend-Sendeplatz mit "Derrick" und "Der Alte" teilte.
Der Kontrast hätte kaum größer ausfallen können. Denn neben einer durchaus
ernst gemeinten Krimi-Handlung wartete die österreichische Produktion um
den Kriminalmajor Kottan mit einer Fülle abgedrehter Details auf: dem
unschlagbar debilen, "Mike Hammer" lesenden Assistenten Schrammel, einem
Landstreicher, der praktisch immer zufällig die Leiche fand und deswegen
in späteren Folgen von der Polizei mit einem Kinderwagen-großen Funkgerät
ausgestattet wurde; Kurt Weinzierl als so eitlem wie unfähigem
Polizeipräsidenten, völlig unmotivierten Gesangseinlagen und nicht zuletzt
der Tatsache, dass man in nur rund 20 Folgen nicht weniger als drei
verschiedene Kottan-Darsteller verschliss. Deren Fotos standen zum Schluss
alle nebeneinander in der Schrankwand bei der Gattin Kottan - während
Major Nummer drei skeptisch auf das Porträt von Peter Alexander guckte,
das schon in Reserve aufgebaut war. Selbst Eddie Constantine durfte hier
ein letztes Mal den Spezialagenten Lemmy Caution spielen.
Kult mit Streifen
Zu einem Auftritt von Alexander als Kriminalbeamten kam es nicht. Zu
vielen Wiederholungen allerdings auch nicht - offenbar hatte der
österreichische Irrwitz die Verantwortlichen des ZDF so nachhaltig
verwirrt, dass man sich nicht traute, den Zuschauer damit zu oft zu
konfrontieren. Die Kottan-Liebhaber, die es noch gibt, sind damit auf ein
paar Videocassetten angewiesen, die von den alten Folgen noch erhalten
sind. Sollte man zumindest meinen.
Denn ob "Kottan", "Captain Future"
oder "Herr Rossi sucht das Glück": Bei vielen vermissten Fernsehserien
früherer Tage hat sich irgendjemand gefunden, der seine VHS-Cassetten
digitalisiert und per Internet verfügbar macht - das dazu notwendige
Programm, wie zum Beispiel eMule, kann sich der Nutzer runterladen und
schon flimmert die komplette erste Staffel der Truckerserie "Auf Achse"
über den PC-Bildschirm: "Franz Meersdonk. Günter Willers. Und ihre
Maschinen. 320 PS. Auf sie ist Verlass", dröhnt die Stimme im Vorspann des
wohl einzigen jemals in Deutschland gedrehten Asphalt-Western. Vor zwanzig
Jahren lief die aufwändig rund um die Welt gedrehte Serie im
ARD-Vorabendprogramm - und Verlass ist darauf, dass die Truckerwelt im
Film exakt so aussieht, wie sich der Pauschaltourist seinen Urlaub
vorstellt. Ist Hauptdarsteller Manfred Krug in Südafrika, sind die
Einwohner ewig lachende, ein bisschen verschlagene Klischee-Neger;
südeuropäische Frauen sind glutäugig, temperamentvoll und von Herzen gut -
und man sollte bloß nicht denken, dass es irgendeinen Winkel gibt, in dem
niemand Deutsch spricht.
Bieder und betulich zelebrierten Meersdonk und Willers die
öffentlich-rechtliche Definition von Action - mit dem nötigen Abstand
wirken die Abenteuer der beiden Trucker schon wieder richtig schön retro.
Allerdings ist die Qualität der Filme oft, nun ja, eben wie eine alte
Videocassette: Streifen ziehen sich durch das Bild, die Farben sind ins
braun-orange ausgeblichen und gelegentlich schmückt ein zartes "Longplay"
den PC-Monitor. Außerdem gibt es nur wenige Quellen, so dass der Download
Wochen dauern kann. Aber bei alten Fernsehschätzchen ist eben alles eine
Frage der Alternativen - und ohne den unbekannten VHS-Ripper wären die
Kuriositäten wohl auf ewig verschollen geblieben.
"Tutti-Frutti" on demand - Geschäftsmodell der Zukunft
Auch die Achtziger-Jahre-Verfilmung von "Per Anhalter durch die
Galaxis" mit ihren atemberaubenden Pappmaché-Kulissen gibt es in den
Tauschbörsen, alte "Schimanski"-Tatorte, das antike Fußball-Video "Gerd
Müller - ein Idol und seine Tore" und sogar die WDR-Giftschrank-Produktion
"Millionenspiel" - so richtig legal ist es natürlich nicht.
Andererseits ist ein großer Teil
der Liebhaber-Stücke auf rechtlich einwandfreie Weise kaum zu bekommen.
Vielleicht sollten Kirch & Co. deshalb mal über ein On-Demand-Portal
für Fernseh-Dinosaurier nachdenken. Das Interesse scheint vorhanden - und
von Vollversorgung via Tauschbörse kann nicht die Rede sein. "Isar 12"
oder "Graf Yoster" sucht man genauso vergeblich wie den Trashkult neuerer
Tage: "Gute Zeiten, schlechte Zeiten", der schon erwähnte "Derrick" oder
die "Lindenstraße" waren wohl niemand die Mühe des Digitalisierens wert -
nur ein paar Lustmolche haben die Szenen ins Netz gestellt, in denen einer
Darstellerin die Bluse verrutscht. Ebenfalls auf das angeblich Wesentliche
gebracht wurde von den anonymen Rippern die wohl am heftigsten diskutierte
Fernsehproduktion der Wendezeit: "Tutti Frutti" - 50 Folgen, Länge pro
Stück maximal vier Minuten.