Pop und Politik: Ich schrei' gleich wie Sid Vicious
15. Sep 16:07
| Tomte mit Thees Uhlmann (r.) | Foto: Promo |
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Auf der Popkomm diskutierten Jungpolitiker und
Tomte-Frontmann Thees Uhlmann über den Komplex «Pop & Politik». Die
Suche nach dem gemeinsamen Nenner scheiterte.
Politik und Pop – der Zusammenhang wird nicht nur zu
Wahlkampfzeiten gerne bemüht. So war es folgerichtig, dass der Komplex
auch auf der Musikmesse Popkomm verhandelt wurde, die derzeit in Berlin
stattfindet. Junge Union, Jusos und Junge Liberale hatten Teilnehmer
entsandt. Eine Sonderstellung nahm dabei Jacob Bilabel ein,
professioneller Wahlwerber der Grünen, aber zuvor vier Jahre lang
beschäftigt bei Universal Music.
Als einziger Popkünstler stand Thees Uhlmann zur
Verfügung, Frontmann von Tomte und nebenbei Chef des Labels «Grand
Hotel van Cleef», auf dem auch Musiker wie Kettcar oder Bernd Begemann
ihre Platten veröffentlichen. Befragt dazu, wo er die Zusammenhänge
zwischen den beiden Ps sehe, lieferte Uhlmann mit «Nichts lässt mich
glauben, dass ich demnächst mit Siegmar Gabriel abhängen werde», dem
Pop-Beauftragten der SPD, ein knackiges Eingangsstatement ab,
berichtete von seinen vergeblichen Versuchen, eine Anschubfinanzierung
für sein Plattenlabel zu bekommen und war ansonsten merkbar überfordert
von dem Ansinnen, mit der politischen Klasse Gemeinsamkeiten zu finden.Was
danach kam, war nicht überraschend: Von der Stimmung im Lande, die ja
auch die Stimmung der Kulturszene sei, wusste Johannes Vogel,
Bundeschef der Jungen Liberalen mit Grüner Vergangenheit zu berichten
und bog gleich zu den Themen Staatsbürgerschaftsrecht und
Gleichberechtigung ab. Daniel Walther, medienpolitischer Sprecher der
Jungen Union, legte nach: Um die «scharfe Erosion der Rechtskultur»
unter Rot-Grün ging es, die sich unter anderem am «Aufkommen der
Privatkopie» zeige. Es gehe für die Politik darum, für die Pop-Branche
die richtigen «Rahmenbedingungen» zu schaffen.
Wer macht eigentlich Popmusik? Damit
hatte er ein Wort gebraucht, das sich danach jeder der anwesenden
Polit-Profis mindestens einmal ausborgte. Inzwischen war auch
Juso-Bundes-Chef Björn Böhning eingetroffen und hatte sich mit Macht
seinen Weg aufs Podium gebahnt: Rot-Grün habe den Pop-Begriff
erweitert, erklärte er, war dann auf einmal bei Familienpolitik und
kurz danach bei Paul Kirchhof. Allerdings wurde er unterbrochen von
der Abteilung Musik: «Ich habe keinen Bock, dass hier Wahlkampf gemacht
wird», so Thees Uhlmann. Ihm sei es egal, wer gewinne und wenn das hier
so weiter gehe, werde er schreien wie der selige Sex-Pistol Sid
Vicious. Die Politik müsse Rahmenbedingungen schaffen, die
Popmusik an sich werde von der Wirtschaft gemacht, wiederholte CDU-Mann
Walther. Allerdings wurde er von Uhlmann korrigiert: «Popmusik wird von
Musikern gemacht.» Die Feststellung verblüffte und sorgte erst einmal
für Ruhe auf dem Podium. Allerdings konnte Plattenfirmen- und
Wahlwerbe-Profis Bilabel die Definition klären: «Es machen vielleicht
20 Prozent der Leute in der Branche Musik, der Rest will sie verkaufen.
Das ist ein Job wie jeder andere.» Der Tomte-Frontmann saß
derweil schweigend auf dem Sofa zwischen Juso- und FDP-Mann, nicht sehr
locker in der Haltung und bemüht um die größtmögliche körperliche
Distanz zu den Nachbarn. Vielleicht fragte er sich, warum er überhaupt
gekommen war.
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